Schlafen mit Blick in die Sterne
Das Eisenbett im Garten steht unter freiem Himmel
von Kerstin Meyer
Über meinem Kopf tanzen Glühwürmchen! Ich kann es kaum glauben,
denn Glühwürmer habe ich in unseren Gefilden noch nie gesehen. Kuschelig
ins Federbett gehüllt liege ich in einem richtigen Bett auf einer
bequemen Matratze unter freiem Himmel und gucke in die Sterne. Meine
Schlafstätte steht im idyllischen Garten der Pension Kamerichs im
Siegerland. Das wetterfeste Eisenbett hat die Diakonie der Stadt
Bad Laasphe der umtriebigen Pensionsbesitzerin Marie-Luise Kamerich
zur Verfügung gestellt. Ich hoffe, dass ich darin keine Angst, sondern
süße Träume habe. Denn außer mir schläft heute nacht niemand im
Garten.
Warten auf die Dunkelheit
Es ist endlich dunkel. Gegen 23 Uhr
habe ich das alte, weiße, Reinleinen-Nachthemd angezogen und mir
die stilechte Betthaube aufgesetzt. Dann bin ich in die Federn gehüpft.
Neben mir auf dem Stuhl liegen alte Bücher und steht eine Kerze.
Unter dem Bett befinden sich zudem noch ein Nachttopf und Holzpantinen.
In den alten Waschschüsseln ist sogar Wasser, aber wohl eher für
den nostalgischen Look als zum Waschen. Denn die Gäste, die im Freien
schlafen, haben einen Schlüssel für das Haus. Falls es nachts anfängt
zu regnen oder man ein menschliches Bedürfnis hat, kann man jederzeit
in die Pension.
Die Vögel sind so gegen 23.15 Uhr anscheinend auch schon schlafen
gegangen, denn es ist verhältnismäßig ruhig. Irgendwo kämpfen nur
kurz lautstark zwei Katzen, der Wind streicht ganz leise durch die
Bäume. Langsam gewöhnt sich das Auge an die Dunkelheit, die Geräuschkulisse
ist schnell vertraut. Frau Kamerichs stellt die Betten der Freiluft-Schläfer
nie unter die Bäume, damit man einen freien Blick in die Sterne
hat.
Glühwürmchen statt Sternschnuppen
Auf der Suche nach einer Sternschnuppe gucke ich in den
Himmel und auf einmal sehe ich die kleinen, hell leuchtenden, fast
neongrüne Punkte, die um mich herumtanzen. Im Laufe der Zeit scheinen
auch die Sterne immer heller, nur den Vollmond kann ich nicht entdecken.
Ich spüre den leichten Wind im Gesicht und an den Armen. Das Federbett
wird von oben kühl und ein bisschen klamm, auch der Rasen ist schon
etwas feucht. Aber unter der Decke ist es so warm und gemütlich,
dass zum Angst haben gar keine Zeit bleibt und ich viel schneller
einschlafe, als ich erwartet habe.
Vogelzwitschern um 4.08 Uhr
3.30 Uhr, immer noch herrliche Ruhe,
angenehm laue Luft. Warum ich aufgewacht bin, keine Ahnung. Also
umdrehen und weiterschlafen. Um 4.08 Uhr wird es vorübergehend laut,
die Vögel sind aufgewacht und zwitschern schon mal den Tag ein.
Aber so etwas kann einen Städter gar nicht stören und ich bin sofort
wieder in Orpheus Armen. Der fröhliche Weckdienst, in Person der
Pensionsbesitzerin, kommt strahlend um 6.30 Uhr ans Bett und weckt
mich mit einem kleinen Glöckchen. Darf es Frühstück ans Bett sein
oder lieber erst eine Dusche und dann ab in den Frühstücksraum oder
auf die Terrasse? Flexibilität ist in der Pension Kamerichs an der
Tagesordnung.
Ein Eisenbett auf dem Garagendach
Auf dem Garagendach vor dem Pensionshaus
steht schon seit über zehn Jahren ein altes Eisenbett mit einem
Schild, das Wanderer, Radfahrer und andere Reisende zum Übernachten
einlädt. Vor acht Jahren, ebenfalls im Juli, kamen einige Nachbarn
der Kamerichs vom Feiern auf dem Schützenplatz zurück. Und eine
ganz mutige Nachbarin wollte unbedingt in dem Eisenbett auf dem
Garagendach schlafen. Der heute 31jährige Sohn der Familie leistete
Nachbarschaftshilfe: Er gab einfach Matratze und Bettzeug heraus
und dann wachten auch seine Eltern auf. "Ich habe in der Nacht kein
Auge mehr zugemacht", erinnert sich Marie-Luise Kamerich. "Ich hatte
immer Angst, das jemand vom Garagendach fällt. In den vergangenen
Jahren haben immer mal wieder Nachbarn, Freunde oder Gäste im alten
Reisebett übernachtet. So kam die Pensionsbesitzerin auf die Idee,
tatsächlich ein echtes Eisenbett in den Garten zu stellen und ihren
Gästen zum Übernachten anzubieten.
Schlafen in alter Arbeiterbettwäsche
Eigentlich Jahr wollte Marie-Luise Kamerich
ihre ungewöhnliche Übernachtungsidee schon im vergangenen Jahr umsetzen.
Aber das Wetter spielte nicht mit. Zudem hatte sie die Accessoires
für die stilechte Übernachtung im "Wittgensteiner Himmelbett" (
Bad Laasphe liegt im Siegerland, genauer im Wittgensteiner Land)
noch nicht zusammen. Zunächst fand sie die alte Bettwäsche bei ihren
Eltern, die früher eine Ziegelei besessen haben. Ihre Mutter hatte
vier Garnituren der rot-weiß-karierten Arbeiterbettwäsche aufbewahrt.
"Die Wäsche wird mit Schleifen zugebunden und ist schon ganz oft
geflickt", erklärt Marie-Luise Kamerichs. Auch ein Gestell mit Waschschüsseln
fand sie bei der Mutter zu Hause in Mönchengladbach.
Den Nachttopf hat ihr eine Nachbarin vor kurzem zum 30. Pensions-Jubiläum
geschenkt, die Holzpantinen brachten holländische Gäste mit, eine
alte Eisenwärmflasche, Nachthemden, Bettmützen und Herrenschlafhemden
hat sie auf dem Trödelmarkt gefunden. Zwei Eisenbetten sind von
der Diakonie spendiert worden. Ein weiteres Gestell, das immer im
Garten steht, wurde ganz unspektakulär bei einem schwedischen Möbelhersteller
gekauft.
Das allererste Mal im Freien übernachtet
Ende Mai hat Marie-Luise zum ersten Mal selbst im Freien
übernachtet und das sehr genossen: "An so schönen Tagen wie wir
sie derzeit haben, möchte man gar nicht ins Haus gehen. Also kann
man den Wunsch doch in die Tat umsetzen. So eine Übernachtung in
einem richtigen Bett unter freiem Himmel ist doch eine tolle Erfahrung."
Seit 30 Jahren führt sie die Pension Kamerichs mit viel Einsatz
und Spaß und ist anscheinend immer für eine Überraschung gut. Sie
wird hier im Ort schon für ein bisschen verrückt gehalten, meinte
ihre Nachbarin und Freundin lachend. Und auch einige Gäste sind
von ihrer Wirtin überrascht: "Ein junger Mann rief an und wollte
ein Zimmer reservieren. Da alles voll war, habe ich ihm das Doppelbett
im Garten angeboten. Zuerst hat er nur gelacht und fühlte sich vereimert",
meinte Marie Luise Kamerichs. "Aber zum Schluss meinte er ziemlich
ernst, dass er mir nicht glauben würde."
Wer nicht glaubt, dass man unter freiem Himmel gut schlafen kann,
der kann sich in der Pension Kamerichs auf dem Ditzroder Weg 18
in 57334 Bad Laasphe vergewissern. Nähere Informationen gibt es
auch unter Telefon 02752-6120, unter der E-Mailadresse
PensionKamerichs@aol.com oder im Internet unter http://www.pension-kamerichs.de
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